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Wirksamkeit einer bildungspolitischen Reformstrategie im öffentlichen (Berufs-)Schulwesen- Mehrebenenanalyse am Beispiel der erweiterten Autonomie der Einzelschule

Fachliche Zuordnung Bildungssysteme und Bildungsinstitutionen
Förderung Förderung von 2005 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5452884
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Ziel der Studie ist es, das Reformanliegen „erweiterte Autonomie der Einzelschule“ näher zu präzisieren und in seinen verschiedenen Dimensionen operationalisierbar und quantitativ erfassbar zu gestalten. Weiterhin gilt es, die Interpretations- und Reaktionsmuster der Akteure auf den verschiedenen Steuerungsebenen zu identifizieren und abzubilden, um den Implementierungsprozess und mögliche „Bruchstellen“ innerhalb des Reformprozesses zwischen und auf den Steuerungsebenen zu analysieren. Zudem werden die wichtigen Einflussgrößen identifiziert, die die Umsetzung der Reform im Schulsystem beeinflussen. Zur Untersuchung dieser vielschichtigen Fragen wird triangulär vorgegangen. Neben der Dokumentenanalyse umfasst das Projekt die qualitativen und quantitativen Befragungen der Akteure auf allen Steuerungsebenen des Schulsystems (Schulverwaltung, Schulaufsicht, Schulleitung, Lehrkräfte). In der qualitativen Studie werden in den themenfokussierten Interviews Interpretationen und Einstellungen der Akteure der Schulverwaltung, der Schulaufsicht und der Schulleitung zur im neuen Schulgesetz verankerten Reform „erweiterte Autonomie der Einzelschule“ erfasst. Auf Grundlage der Inhaltsanalyse wird eine Typologisierung der erfassten differenzierten Interpretations- und Einstellungsmuster der Akteure vorgenommen. Auf den Ebenen der Schulaufsicht und der Schulverwaltung können die drei verschiedenen Typen „Befürworter“, „Skeptiker“ und „Dulder“ identifiziert werden. Bewerkenswerterweise gehören alle befragten Akteure der Schulaufsicht der Gruppe der „Dulder“ an, wohingegen die Akteure der Schulverwaltung zu den Gruppen der „Befürworter“ und „Skeptiker“ zählen. Bereits dieser Befund verdeutlicht: Auf den beiden Steuerungsebenen liegen gänzlich verschiedene Muster vor, so dass hier ein bedeutender Implementierungsbruch zwischen den Mitgliedern der Schulverwaltung und der Schulaufsicht aufgrund eines defizitären kommunikativen Konsenses angenommen werden kann. Die Analyse der individuellen und kollektiven mentalen Modelle der beiden Akteursgruppen bestätigt dieses Ergebnis. Für die Akteure der beiden Ebenen können insgesamt zwei kollektive mentale Modelle identifiziert werden. Dabei unterscheidet sich das mentale Modell der Schulverwaltungsebene sehr stark von dem der Schulaufsichtsebene. Ein weiterer potentieller Implementierungsbruch kann aufgrund sehr unterschiedlicher Interpretations- und Einstellungsmuster zwischen der Ebene der Schulaufsicht und der Schulleitung identifiziert werden. Inhaltlich bedeutend ist der Befund, dass in der Wahrnehmung aller drei Akteursgruppen „die Erstellung des Schulprogramms“ die einzig handlungsrelevante Dimension dieser Reform darstellt. Alle weiteren (gesetzlich kodifizierten) Dimensionen wie Finanz- oder Personalautonomie werden als nicht handlungsrelevant bzw. als faktisch nicht gegeben eingeschätzt. Die Ergebnisse der qualitativen Befragung der Steuerungsakteure auf den drei Ebenen werden als Grundlage verwendet, um das Reformkonstrukt „erweiterte Autonomie der Einzelschule“ näher zu konzeptionalisieren. So muss der Fokus bei der Operationalisierung im Rahmen der quantitativen Studie auf die Erstellung und Implementierung des Schulprogramms als reformspezifische Handlung im Bereich der Einzelschulen gelegt werden. Weiter werden aus den Interviews verschiedene Einflussfaktoren extrahiert, die ebenfalls in die quantitative Studie als Skalen in den Fragebogen einfließen. Mit diesen werden die Schulleitungsmitglieder und Lehrkräfte an 16 berufsbildenden Schulen in Berlin befragt. In der quantitativen Studie kann auf der Schulebene ein weiterer potentieller Implementierungsbruch zwischen Schulleitung und Lehrkräften ermittelt werden. Dieser beruht auf den teils deutlich verschiedenen Einschätzungen der Reform und ihrer Umsetzungsfaktoren durch die Schulleitung im Vergleich zu den Lehrkräften. So nimmt bspw. die Schulleitung hierarchische, die Lehrkräfte hingegen demokratische Schulstrukturen als reformfördernd wahr. Die im Rahmen der qualitativen Studie ermittelte Typologie auf der Schulleitungsebene kann in Clusteranalysen bestätigt und eine vergleichbare heterogene Typologie der Einstellungs- und Wahrnehmungsmuster auf der Lehrkräfteebene identifiziert werden. Die Reformbereitschaft und der Umsetzungsgrad der Reformmaßnahme in Einzelschulen hängen signifikant mit dieser Typenzugehörigkeit zusammen. Hinsichtlich der Bestimmungsfaktoren auf die Reformumsetzung ist hervorzuheben, dass hierbei zwischen den Einstellungskonstrukten auf der individuellen Ebene (einzelne Lehrkraft) und denen auf der kollektiven Ebene (Lehrkollegium) differenziert werden muss, da sie sich in Bezug auf reformrelevante Einflussgrößen bzw. ihre Wirkungen teils sehr stark systematisch unterscheiden. Ein besonders starker Zusammenhang kann zwischen der Reformbereitschaft und der generellen individuellen Innovativität der Akteure festgestellt werden. Hier wird insbesondere der theoretisch bedeutsamen Frage nachgegangen, ob die beiden Konstrukte sich gegenseitig kausal verursachen oder ob sie artverwandt, im Sinne einer allgemeinen (Innovationsbereitschaft) und einer kontextspezifischen Innovationsbereitschaft (Reformbereitschaft) verstanden werden können. Im Rahmen der Strukturgleichungsanalysen kann ein Modell entwickelt werden, dass die beiden Konstrukte zu 30 bzw. 40% erklären kann und insbesondere das Schulleitungshandeln, die Innovationsresistenz als kollektive Einstellung, die eigene Loyalität und die empfundene Fremdbestimmung in der Schule als zentrale signifikante Erklärungsgrößen der allgemeinen Innovativität sowie der spezifischen Reformbereitschaft zeigt. Neben der Regression und der Strukturgleichungsmodellierung wird mit Hilfe der linearen Mehrebenenmodellierung untersucht, wie viel Prozent der Streuung der Reformbereitschaft auf die Einzelschuleebene zurückgeführt werden kann. Danach kann zwischen 7 - 9% der Streuung durch die Institution Schule erklärt werden. Aus der Analyse der nicht linearen Zusammenhänge resultiert kein Modell mit signifikant höherer Erklärungskraft.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Effizienz und Effektivität von Steuerung des öffentlichen Schulwesens - eine rechtsökonomische Reflexion. In: van Buer, J. & Wagner, C. (Hrsg.), Qualität von Schule – Entwicklungen zwischen erweiterter Selbstständigkeit, definierten Bildungsstandards und strikter Ergebniskontrolle. Frankfurt a. M.: Lang 2007
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia
  • Steuerungsfähigkeit des öffentlichen Schulwesens versus Steuerbarkeit der Schule - Paradigmenwechsel? In: van Buer, J. & Wagner, C. (Hrsg.), Qualität von Schule – Entwicklungen zwischen erweiterter Selbstständigkeit, definierten Bildungsstandards und strikter Ergebniskontrolle. Frankfurt a. M.: Lang 2007
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia
  • Erfolgreiche Implementierung politischer Reformstrategien im öffentlichen (Berufs)Schulwesen im Land Rheinland- Pfalz. In: Münk, D., Deißinger, T. & Breuer, K. (Hrsg.), Schriftenreihe der Sektion der Berufs- und Wirtschaftspädagogik der DGfE. Opladen: Leske + Budrich 2008
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Kadach, A.
  • Erweiterte Schulautonomie – Segen oder Fluch? Chancen, Risiken und (Neben-)Wirkungen der teilautonomen Schule. In: Buchen, H., Horster, L. & Rolff, H.-G. (Hrsg.), Schulleitung und Schulentwicklung. Stuttgart: Raabe 2008
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia
  • Kollektiv geteilte mentale Modelle der Steuerungsakteure von Reformstrategien im öffentlichen Schulwesen. In: Lankes, E.-M. (Hrsg.), Pädagogische Professionalität als Gegenstand Empirischer Forschung. Münster et al.: Waxmann 2008
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Preuße, D.
  • Interne Evaluation als Motor der Qualitätsentwicklung in beruflichen Schulen - Projekttransfer im Land Rheinland-Pfalz. In: RKW Berlin (Hrsg.), Schulentwicklung und Führung – Zusammenhänge, Wissen und Praxiserfahrungen. Berlin: Dr. Brauner Verlag. 2009
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Kadach, A. & Förster, M.
  • Interne Evaluation zur Förderung der Innovationskompetenz und als Motor der Organisationsentwicklung. In: RKW Berlin (Hrsg.), Schulentwicklung und Führung – Zusammenhänge, Wissen und Praxiserfahrungen. Berlin: Dr. Brauner Verlag. 2009
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia
  • Kollektive Innovationsbereitschaft von Lehrkollegien als Moderator für die Wirksamkeit bildungspolitischer Steuerung. In: Böttcher, W.; Dicke, J. N. & Ziegler, H. (Hrsg.), Evidenzbasierte Bildung. Wirkungsevaluation in Bildungspolitik und pädagogischer Praxis. Münster et al.: Waxmann. 2009
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Buske, R.
  • Mehr Autonomie für die Schulen? In: Johannes Gutenberg-Universität Mainz (Hrsg.), Natur und Geist. Das Foschungsmagazin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. 25. Jahrgang, Heft 1. Mainz 2009
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia
  • Schulreform und Innovation in der Einzelschule - theoretische und empirische Annährungen. In: Münk, H. D. & Weiß, R. (Hrsg.), Qualität in der beruflichen Bildung. Forschungsergebnisse und Desiderata. Bielefeld: Bertelsmann 2009
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Buske, R.
  • Wirksamkeit der internen Evaluation als einzelschulisches Steuerungsinstrument. In: Böttcher, W.; Dicke, J. N. & Ziegler, H. (Hrsg.), Evidenzbasierte Bildung. Wirkungsevaluation in Bildungspolitik und pädagogischer Praxis. Münster et al.: Waxmann. 2009
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Kadach, A.
  • Wirkung der Lehrerprofessionalität auf Schulorganisation und -entwicklung. In: Zlatkin-Troitschanskaia et al. (Hrsg.), Professionalität von Lehrenden – Zum Stand der Forschung. Weinheim et al.: Beltz. 2009
    Olga Zlatkin-Troitschanskaia, Förster, M.
 
 

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