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Psychopathologie der "Binge-Eating"-Störung im Kindesalter: Verlauf und Aufrechterhaltung

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2005 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5453602
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Forschungsstand zum natürlichen Verlauf von Kontrollverlust beim Essen im Kindes- und Jugendalter zum Zeitpunkt der Antragsstellung war dürftig. Eine erste Studie liefert erste Hinweise für eine moderate Stabilität von im Interview erhobenen Essanfällen und Überessen über ein Jahr hinweg (Allen et al., 2008), vor allem bei Kindern, die klinisch signifikante Symptomatik berichteten und adipös waren. Die vorliegende Studie konnte diesen ersten Befunde bestätigen und zeigen, dass die Symptomatik moderat stabil über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren verläuft und zwar besonders bei den Kindern, die wiederkehrende Episoden von Kontrollverlust berichteten. Wiederkehrende Episoden von Kontrollverlust sind querschnittlich mit signifikant erhöhter Psychopathologie assoziiert (Hilbert & Czaja, 2007) und die Präsenz eines Kontrollverlusts beim Essen hängt auf längere Sicht mit einer Gewichtszunahme und einer Entwicklung vermehrter essstörungsspezifischer Psychopathologie zusammen (Studie 1). Da die gravierenden Folgeprobleme von Übergewicht und Adipositas gezeigt wurden (Lang, Hauser, Schlumpf, Klaghofer & Buddeberg, 2000), unterstreichen die vorliegenden Befunde die Relevanz der Entwicklung von Interventionen bei Kontrollverlustsymptomatik bei Kindern und Jugendlichen. Der Forschungsstand zu aufrechterhaltenden Faktoren war zum Zeitpunkt der Antragsstellung ebenfalls unvollständig. Im querschnittlichen Teil der Verlaufsstudie hatten sich zwar mehr negative Emotionen bei den Kindern mit LOC herausgestellt, allerdings waren diese nicht besonders stark ausgeprägt vor Beginn der Essanfälle (Hilbert et al., 2009), wie das zuvor bereits bei Erwachsenen demonstriert wurde (Hilbert & Tuschen-Caffier, 2007). Andere Faktoren, von denen man annehmen konnte, dass sie den Einfluss der Stimmung auf die Essanfalle oder Nahrungskonsum generell moderieren können, waren Persönlichkeitsfaktoren. Bei Erwachsenen hat Impulsivität im Selbstbericht die konsumierte Nahrungsmenge während einer Labortestmahlzeit vorausgesagt (Galanti, et al., 2007). Die vorliegende Studie konnte eine Zunahme der Impulsivität nach Induktion negativer Stimmung bei Jugendlichen mit Kontrollverlust im Vergleich zur Kontrollgruppe und zur Gruppe mit ADHS. Allerdings zeigte sich in dieser Gruppe daraufhin kein größerer Snackkonsum, sondern dieser war in der Gruppe mit ADHS zu verzeichnen. Der erhöhte Konsum der ADHS-Gruppe könnte durch deren höhere Impulsivität (Schachar et al., 2007) erklärt werden. Das Fehlen eines derartig erhöhten Konsums könnte bei der LOC-Gruppe durch die stärkere kognitive Kontrolle (Restraint) (Hilbert & Czaja, 2007) sowie stärkere Tendenzen hin zur Demonstration sozial erwünschten Verhaltens begründet werden. Wertere Forschung ist angezeigt, um den Einfluss dieser Faktoren im Kontext von Impulsivität und negativem Affekt herauszuarbeiten. Außerdem könnte es lohnenswert sein, in zukünftige Interventionen bei Kindern und Jugendlichen mit Kontrollverlustsymptomatik Trainings zur Emotionsregulation und Impulsivität zu integrieren. Interessant war die hohe Anzahl an Versuchspersonen, die rekrutiert und erhoben wurden, aber aus den Analysen ausgeschlossen wurden, da sie sowohl ADHS- Symptomatik als auch Kontrollverlust beim Essen berichteten (8/33 Versuchspersonen, die Essanfälle berichten, zeigen auch ADHS-Symptome: 24.2%). In ersten zusätzlichen Analysen zeigte sich, dass die komorbide Gruppe sowohl im Selbstbericht als auch im Experiment impulsiver ist als die LOC- und ADHS-Gruppe. Auf der Basis der vermehrt berichteten Komorbidität zwischen ADHS und Adipositas (Agranat-Meged et al., 2005; Hortkamp et al., 2004) sowie ADHS und BED inkl. gemeinsamer genetischer und hirnphysiologischer Auffälligkeiten (Cortese, Bernardina & Mouren, 2007; Kapoor, 2008) und der Suche nach gemeinsamen ätiologischen Faktoren wie bspw. Impulsivität sollten die Ergebnisse zu diesen Versuchspersonen ausführlich analysiert und mit denjenigen der beiden subklinischen Gruppen verglichen werden.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Essanfälle und Adipositas im Kindesalter. PPmP - Psychotherapie - Psychosomatik - Medizinische Psychologie, Vol. 57. 2007, Nr. 11, pp. 413-419.
    Hilbert, A., Czaja, J.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1055/s-2007-986204)
  • Psychologische Aspekte der Adipositas bei Kindern und Jugendlichen und vernetzte Versorgungsstrukturen. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz, Vol. 50. 2007, Issue 9, pp. 1145–1151.
    Bau, A. M., Vahabzadeh, Z., Povel, C, James, J., Boral, S., Ardelt-Gattinger, E., Blättner, B., Czaja, J., Emst, M., Hilbert, A., Kroll, D., Stiff-Keckstein, R., Stösslein, C, Wölfling, S. & Wiegand, S.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1007/s00103-007-0315-6)
  • Child Eating Disorder Examination-Questionnaire: Evaluation der deutschsprachigen Version des Essstörungsfragebogens an übergewichtigen und adipösen Kindern. AdipositasSpektrum, Vol. 4.2008, S. 30.
    Hilbert, A., Hartmann, A S., Bomholt, C. & Czaja, J.
  • Psychosoziale Risikofaktoren von Essanfällen im Kindesatter. In: P. Warschburger, W. Ihle & G. Esser (Hrsg.). Seelisch gesund von Anfang an. Potsdam: Universitätsveriag 2008, S. 253.
    Czaja, J., Hilbert, A.
  • Binge eating in primary school children: towards a definition of clinical significance. International Journal of Eating Disorders, Vol. 42. 2009, Issue 3, pp. 235–243. l
    Hilbert, A., Czaja, J.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1002/eat.20622)
  • Der Zusammenhang zwischen Persönlichkeit und allgemeiner sowie essstörnngsspezifischer Psychopathologie bei kindlichem Übergewicht und Adipositas. Verhaltenstherapie, Bd. 19. 2009, Suppl. 1, S. 6.
    Hartmann, A. S., Rief, W., Hilbert, A.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1159/000242467)
  • Essverhalten und psychologische sowie familiäre Aufrechterhaltungsfaktoren bei Kindern mit versus ohne Essanfälle. In M. Schutte-Markwort (Hrsg.). Psychosomatik - Kinder- und Jugendpsychiatrie als interdisziplinäres Fach: XXXI. Kongress der Dt. Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psydiosomatik und Psychotherapie in Hamburg, 2009, S. 60, Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft
    Hilbert, A., Czaja, J.
  • Loss of control eating and psychological maintenance in children: an ecological momentary assessment study. Behaviour Research and Therapy, Vol. 47.2009, Issue 1, pp. 26–33.
    Hilbert, A., Rief, W., Tuschen-Caffier, B., de Zwaan, M. & Czaja, J.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1016/j.brat.2008.10.003)
  • Eating behavior and familial interactions of children with loss of control eating: a laboratory test meal study. American Journal of Clinical Nutrition, Vol. 91. 2010, no. 3, pp. 510-518.
    Hilbert, A., Tuschen-Caffier, B., Czaja, J.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.3945/ajcn.2009.28843)
  • Psychopathologisches Assessment von Ess- und Gewichtsstönjngen bei Kindem und Jugendlichen: Evaluation des Eating Disorder Examination für Kinder (ChEDE). Obesity Facts, Vol. 3. 2010, Suppl. 1, pp. 42–65(57).
    Brauhardt, A., Bürger, A, Warschburger, P., Spenner, K., Czaja, J., Hilbert, A.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1159/000322129)
  • Therapiebedarf bei Kindem und Jugendlichen mit Essanfällen und deren Erziehungsberechtigten: Eine Analyse der subjektiven Bedarfs. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Vol. 39. 2010, pp. 42.
    Altmann, N., Hartmann, A. S., Rief, W., Hilbert, A.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1026/1616-3443/a000036)
  • Psychometrie properties of the Gennan version of the Banett Impulsiveness Scale version 11 (BlS-11) for Adolescents. Perceptual and Motor Skills, Vol 112. 2011, Issue 2, pp. 353-368.
    Hartmann, A. S., Rief, W., Hilbert, A.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.2466/08.09.10.PMS.112.2.353-368)
  • Psychopathologisches Assessment von Ess- und Gewichtsstörungen bei Kindem und Jugendlichen; Das Eating Disorder Examination für Kinder. PPmP - Psychotherapie · Psychosomatik · Medizinische Psychologie, Vol. 61.2011, Issue 2, A005.
    Brauhardt, A., Burger, A., Warschburger, P., Spenner, K., Czaja, J., Hilbert, A.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.1055/s-0031-1272361)
  • Verhaltensmaße des Kontrollverlustes beim Essen: Bissgröße und Bissgeschwindigkeit. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, Bd. 60. 2011, Nr. 4, S. 270-284.
    Hilbert, A., Czaja, J.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.13109/prkk.2011.60.4.270)
 
 

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