FOR 530: Selbstzeugnisse in transkultureller Perspektive.
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel der Forschergruppe war es, die Thematisierung des eigenen Lebens in verschiedenen Kulturen, zu verschiedenen Zeiten, in verschiedenen geographischen Räumen und in spezifischen Interaktionszusammenhängen als kulturelle und soziale Praxis (Doing culture, Doing gender, Doing person) zu untersuchen und in den Kontext gesellschaftlicher Beziehungen zu stellen. Inhaltlich sollte die auch für nichteuropäische Kulturen behauptete Auffassung, dass die Entwicklung von Individualität und autobiographischem Schreiben eng aufeinander bezogen seien, durch die ergebnisoffene Frage nach den in den Selbstzeugnissen formulierten Personkonzepten ersetzt werden. Mit der transkulturellen Perspektive sollte ein Orientierungsrahmen erprobt werden, der offen ist für die Untersuchung kultureller Partikularismen, sich aber auch für die Analyse von hybriden Formen und kulturellen Verflechtungen eignet. Kennzeichnend für die Zielsetzung der Forschergruppe war eine doppelte Ausrichtung der Fragestellung: Einerseits sollten Selbstzeugnisse erfasst und analysiert werden, um bestimmte Themen bzw. Problemzusammenhänge zu erörtern. Neben der Frage nach den Personkonzepten und dem Stellenwert, den Individualität innerhalb dieser Konzepte einnimmt, waren Themen wie Gastfreundschaft, Rituale, Zwang, Gewalt, Furcht, Konversion und Diplomatie Gegenstand einzelner Projekte. Andererseits ging es um die Texte selbst, sollten Fragen des literarischen Genres (Biographie/Autobiographie) und der (pragmatischen) Textproduktion geklärt werden. Verbunden damit war der Anspruch, einen Beitrag zur Geschichte der schriftlichen Selbstthematisierung zu schreiben, von dem wichtige Impulse für eine methodisch reflektierte Global History ausgehen. Als wichtigste Ergebnisse lassen sich festhalten: Verbreiterung der Quellenbasis durch das Aufspüren, systematische Erschließen und Edieren neuer Quellen, z.T. in Übersetzung u.a. im deutschsprachigen Raum, in Lateinamerika und in Japan. Entwicklung eines neuen Forschungsdesigns, demzufolge das Individuum nur eines von vielen Personkonzepten ist, die die verschiedenen Formen der Selbstdarstellung organisieren. Entwicklung eines Konzeptes von Transkulturalität als methodisches Prinzip (a) und inhaltliche Orientierung (b) und Einführung dieses Ansatzes in konkrete Forschungszusammenhänge. Zusammenführung dieser beiden Ziele in einem Konzept der transkulturellen Selbstzeugnisforschung und Einbindung der Ergebnisse in den internationalen Kontext Grundlagenforschung zu den oben erwähnten Themen (Gastfreundschaft, Diplomatie, Konversion, Gewalt, etc,), und zum autobiographischen Schreiben als soziale und kulturelle Praxis.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Vom Individuum zur Person. Neue Konzepte im Spannungsfeld von Autobiographietheorie und Selbstzeugnisforschung. (Querelles. Jahrbuch für Frauen- und Geschlechterforschung 10). Göttingen 2005
Jancke, Gabriele/Ulbrich, Claudia (Hg.)
- Räume des Selbst. Selbstzeugnisforschung transkulturell (Selbstzeugnisse der Neuzeit 19), Köln / Weimar / Wien 2007
Bähr, Andreas / Peter Burschel / Gabriele Jancke
- Escritura Autobiográfica e Historia en Hispanoamérica. Themenband des Jahrbuchs für Geschichte Lateinamerikas, 47, 2010
Mücke, Ulrich (Hg.)
- Vom Teufel zum Menschen. Die Geschichte der China-Heimkehrer in Selbstzeugnissen. München 2010
Buchholz, Petra