SFB 616: Energiedissipation an Oberflächen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der SFB 616 "Energiedissipation an Oberflächen" hatte sich die Aufgabe gestellt, einen umfassenden wissenschaftlichen Fortschritt im Verständnis solcher Prozesse an insbesondere Festkörperoberflächen zu erarbeiten, die bestimmen, wie ein spezifischer Energieeintrag mit der Zeit in alle Freiheitsgrade umverteilt wird, so dass am Ende eine unspezifische Erwärmung steht. Dieser spezifische Energieeintrag kann im Beschuss mit Teilchen wie z.B. Ionen oder dem Einstrahlen von Licht bestehen. Von Interesse sind dann die Fragen, in welche anderen energieaufnehmenden Energieformen diese anfängliche Anregung übergeht und auf welchen Zeitskalen dies geschieht. Die Antworten auf diese allgemeinen Fragestellungen hängen von den spezifischen Eigenschaften des betrachteten Materials und den variierbaren Eigenschaften der anfänglichen Anregung ab. Eine optische Anregung kann in den verschiedensten Spektralbereichen erfolgen und sie kann resonant mit den unterschiedlichsten Anregungen in der Oberfläche erfolgen. In Rahmen des SFB wurden neue Instrumente entwickelt, die es erlauben, diesen Fragen systematisch nachzugehen und die es mit dieser Leistungsfähigkeit höchstens eine Handvoll Mal auf der Welt gibt. So entstand eine Anlage, die es ermöglicht, den Anregungsgrad von Schwingungen des Atomgitters an einer Oberfläche mit einer zeitlichen Auflösung von 10-11 s zu beobachten. Ein Spektrometer wurde aufgebaut, um selektiv eine Schwingung in einem Molekül, das an der Oberfläche adsorbiert ist, anzuregen und dann zeitlich zu verfolgen, wie diese Anregung relaxiert. Außerdem wurde eine Ionenstrahl-Apparatur für hochgeladene Metallionen installiert, mit der sich Metallatome nach dem Verlust von 40 oder mehr Elektronen auf eine Oberfläche richten lassen. Zusätzlich wurde ein Mikroskop aufgebaut, mit dem sich verfolgen lässt, wie sich einzelne Moleküle an einer Oberfläche bewegen, wenn sie mit Elektronen "gekitzelt" werden, wofür eine Temperatur nur wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt erreicht werden muss. Des Weiteren wurden mehrschichtige Metall-Halbleiter- und Metall-Isolator-Sensoren entwickelt, um damit quantitativ zu bestimmen, ob und inwieweit chemische Energie von Reaktionen an der Oberfläche in Anregungen von Elektronen umgewandelt wird. Von den zahlreichen Ergebnissen im Rahmen des SFB können nur einige erwähnt werden, die sich dadurch auszeichnen, dass sie zu nicht vorherzusehenden Schlussfolgerungen führen. Es konnte etabliert werden, dass in der Tat ein nicht einfach zu vernachlässigender Anteil der bei chemischen Reaktionen freiwerdenden Energie transient in elektronische Anregungen umgewandelt wird. Ebenfalls wird beim Beschuss einer Metalloberfläche mit schnellen Ionen zwischenzeitlich ein bedeutender Anteil der Energie im elektronischen System gespeichert, im Gegensatz zum Beschuss mit Clustern. In beiden Fällen veranlasst dieses Ergebnis, dass etablierte theoretische Modelle, die davon ausgehen, dass die Energie direkt in Wärmebewegungen dissipiert, in Frage gestellt werden und zumindest zum Teil revidiert werden müssen. Es konnte etabliert werden, dass beim Beschuss eines Substrates, wie z.B. SrTiO3, mit schnellen schweren Ionen die Energie nicht gleichmäßig entlang der Spur des Projektil dissipiert, sondern an spezifischen Orten im Kristallgitter, was zur Bildung von nanometergroßen Auswölbungen an der Oberfläche führt. Auch nach der selektiven Anregung einer Valenzschwingung in einem Molekül auf einer Halbleiter-Oberfläche dissipiert diese Energie nicht direkt in Wärme, sondern nimmt den Umweg über Biegeschwingen des Moleküls gegenüber der Oberfläche, so dass sich Relaxationszeiten ergeben, die kürzer sind als zuvor erwartet. Durch Elektronen- und Röntgen-Beugungsmethoden konnten erstmals die Zeiten bestimmt werden, auf denen sich die Atome an einer Oberfläche umordnen, wenn mit einem Lichtpuls instantan größere Energiemengen eingetragen werden. Mikroskopisch konnte beobachtet werden, wie sich in einer Leiterbahn, durch die ein Strom fließt, mit der Zeit Löcher bilden, da sich die Atome mit oder aber auch entgegen der Stromrichtung fortbewegen. Die experimentellen Arbeiten konnten nur in diesem Umfang gelingen, da sie innerhalb des SFBs eine enge Begleitung durch die Theorie hatten. Dabei wurden sowohl neue Methoden entwickelt, um die aufgeworfenen Fragen bearbeiten zu können, als auch aufwendige Modellierungen durchgeführt, um die Experimente zu reproduzieren bzw. zu interpretieren.