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'Charlottengrad' und 'Scheunenviertel'. Osteuropäisch-jüdische Migranten im Berlin der 1920/30er Jahre

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2008 bis 2012
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 60229517
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Mittelpunkt dieses Forschungsprojektes stand die Erforschung der komplexen und divergierenden Lebenswirklichkeiten der jiddischsprachigen Migranten aus dem östlichen Europa, die sich im Berlin der Weimarer Republik durch ein spezifisches Verhältnis von Fluktuation und Kontinuität auszeichneten. Ausgehend von einem lebensweltlichen Ansatz, der die Migranten als Akteure sowie die Kommunikationszusammenhänge mit und in ihrem Umfeld ins Zentrum der Untersuchungen rückte, wurden erstmalig die Netzwerk- und Vergemeinschaftungsprozesse innerhalb der osteuropäisch-jüdischen community systematisch erfasst. Wenngleich das Negativstereotyp des „Ostjuden“ und die Kategorisierung der Migranten als „lästige Ausländer“ zunächst das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Migrantengruppe stärkten, überwogen insgesamt die regionalen, sozialen, kulturellen, und politischen Unterschiede. Diese Differenzen führten nicht nur zu einer Partikularisierung innerhalb der Migrantengruppe, sondern auch zu unterschiedlichen Annäherungen an die jüdische community und die nichtjüdische Mehrheitsgesellschaft in Berlin. Wenngleich der soziale und rechtliche Status der jüdischen Migranten aus dem östlichen Europa dauerhaft prekär blieb und Fragen von Partizipation und Teilhabe sowie Ausgrenzung und Abgrenzung in Interaktionsprozessen stetig neu verhandelt wurden, war Berlin Ende der 1920er Jahre für die meisten Migranten zu einer neuen Heimat geworden. Der von kosmopolitischen Kulturtraditionen ebenso wie vom preußischen Erbe geprägte Alltag in der Hauptstadt der Weimarer Republik, beförderte dabei die Entstehung neuer Positionen, die sich jenseits der bis dahin dominierenden Ost- West-Dichotomie bewegten. Darüber hinaus diente die jiddische Sprache in Berlin nicht nur als lingua franca für osteuropäisch-jüdische Migranten, sondern war gleichzeitig eine moderne Literatur- und Nationalsprache, in der politische Gegenwartsfragen ebenso diskutiert wurden wie die divergierenden und konkurrierenden Identitätsentwürfe und Diaspora-Konzepte, die in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts noch gleichberechtigt nebeneinander standen. Das Berlin der 1920er Jahre war somit ein Ort, der Raum bot für eine vielfältige und äußerst heterogene jiddische Diasporakultur, die ihrerseits integraler Teil der Weimarer Kultur wie der multikulturellen Stadtgeschichte Berlin ist.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Ein ‚ostjüdisches' Quartier? Jüdische Migranten vor und nach 1918 im Berliner Scheunenviertel. In: Trajekte 10 (2009) 19, 48-51
    Saß, Anne-Christin
  • Transit und Transformation. Osteuropäisch-jüdische Migranten in Berlin 1918-1938, Göttingen 2010
    Pickhan, Gertrud/Dohrn, Verena (eds.)
  • Von Hitler vertrieben, von Stalin verfolgt. Der Jazzmusiker Eddie Rosner, Berlin 2010
    Pickhan, Gertrud und Preisler, Maximilian
  • Yiddish in Weimar Berlin: At the Crossroads of Diaspora Politics and Culture. London 2010
    Estraikh, Gennady; Krutikov, Mikhail (Ed.)
 
 

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