Die Förderung von Lesekompetenz in beruflichen Schulen mittels "Reciprocal Teaching"
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das auf Palincsar und Brown (1984) zurückgehende „Reciprocal Teaching“ gilt als erprobter Interventionsansatz zur Förderung von Lesekompetenz und selbstreguliertem Lernen insbesondere bei leistungsschwachen Jugendlichen. Im Projekt sollte der Frage nachgegangen werden, ob und unter welchen Bedingungen es gelingt, die Befunde zahlreicher Interventionsstudien in Klassen des beruflichen Schulwesens zu replizieren. Die Kontextbedingungen wurden durch die Einbeziehung unterschiedlicher Schularten systematisch variiert. Zudem kamen in den Experimentalklassen sowohl Lehrkräfte zum Einsatz, die schon im Rahmen einer Vorstudie mit dem Förderansatz gearbeitet hatten, als auch Lehrkräfte ohne Vorerfahrung. Alle Lehrenden der Experimentalklassen wurden vorab im Rahmen einer dreitägigen Fortbildung zu Grundlagen und zur Umsetzung des Ansatzes instruiert. Detailliert abgestimmt und anhand von Materialien vorbereitet wurden eine Einführungsphase zur Vermittlung der drei grundlegenden Strategien (Klären unbekannter Wörter und Sachverhalte, Fragenstellen und Zusammenfassen) sowie eine reziproke Umsetzungsphase in Kleingruppen. Mit den Lehrenden wurden je zehn Texte pro Schulart ausgewählt, die über einen Interventionszeitraum von acht Monaten mindestens eingesetzt werden sollten. Textauswahl, Häufigkeit und Dauer der Strategieinstruktion wurden von den Lehrenden in einem „Tagebuch“ dokumentiert. Die Umsetzungsqualität wurde in jeder Phase über externe Beobachtungen und Schülerbefragungen systematisch kontrolliert. Über einen Experimental-Kontrollgruppenvergleich wurden primär Effekte bezüglich der Strategieanwendung, des Lesestrategiewissens, des Leseverständnisses und der Motivationsentwicklung untersucht. Als zentrale Ergebnisse des Projekts sind festzuhalten: (1) Auf der globalen Ebene sind lediglich geringfügige Effekte zugunsten der Experimentalklassen beim Fragenstellen nachzuweisen; beim Zusammenfassen, beim Leseverständnis und beim Lesestrategiewissen sind die Testleistungen im Posttest sowohl in den Experimental- als auch in den Kontrollgruppen zum Teil geringer als zum Pretest bzw. bleiben unverändert. In motivationaler Hinsicht ist die Intervention wirkungslos. (2) Erwartungswidrig sind in Schularten mit günstigeren Bedingungen (BFS und BS) hinsichtlich der psychosozialen, kognitiven und lesespezifischen Voraussetzungen (Niveau- und Streuungskomponente) keine höheren Effekte zu verzeichnen, als in den Schularten mit ungünstigeren Bedingungen (BVJ, BEJ). Interventionseffekte, wenn auch schwache, sind lediglich im BEJ und im BVJ nachzuweisen. (3) Dem entspricht auch, dass bezogen auf die Kriterien Fragenstellen und Zusammenfassen lediglich die Schüler/innen mit geringen kriterienbezogenen Voraussetzungen vom Training profitieren, während Schüler/innen des oberen Leistungsquartils beim Posttest geringere Testleistungen zeigen bzw. stagnieren. Beim Leseverständnis sind auch für Schüler/innen des unteren Leistungsquartils keine Effekte nachzuweisen. (4) Theoriekonform bestätigt sich der Zusammenhang zwischen den erhobenen Motivationsbedingungen und der Motivationsausprägung. (5) Bezogen auf die Umsetzungsqualität lassen sich kaum Unterschiede zwischen erfahrenen und weniger erfahrenen Lehrkräften erkennen. Es scheint, dass die Lehrkräfte insgesamt der Vermittlung von Strategiewissen wenig Bedeutung beimessen. Entgegen der Erwartungen ist die Umsetzungsqualität in Klassen mit ungünstigen Voraussetzungen nicht geringer. In den Schularten mit geringen lesespezifischen Voraussetzungen ist die Unterstützungsleistung ausgeprägter als in den Schularten mit höheren lesespezifischen Voraussetzungen. (6) Ein systematischer Zusammenhang zwischen der Umsetzungsqualität und Effekten des Trainings ist nicht erkennbar, angesichts der insgesamt geringen Effekte ist dies allerdings auch kaum zu erwarten. Im Rahmen von zwei Qualifizierungsarbeiten werden derzeit Feinanalysen auf Klassenebene durchgeführt, die ggf. weiteren Aufschluss auf Mikrostrukturebene liefern.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2009): Die Förderung von Lesekompetenz in Beruflichen Schulen mittels „Reciprocal Teaching“. Herbsttagung der Sektion für Berufs- und Wirtschaftspädagogik in Gießen
Norwig, K./Kugler, G./Ziegler, B./Nickolaus, R.
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(2009): Improving the Reading Competence of Low-achieving Students. DAAD-geförderter Lehraufenthalt an der HAMK University of Applied Science, Hämeenlinna/ Finnland
Norwig, K.
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(2009): „Fostering reading competence in vocational education with an adapted concept of reciprocal teaching“. EAPRIL Tagung in Trier
Kugler, G.
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(2010): Die Förderung von Lesekompetenz in Beruflichen Schulen mittels „Reciprocal Teaching“. Herbsttagung der Sektion für Berufs- und Wirtschaftspädagogik in Wien
Norwig, K. /Kugler, G./Ziegler, B./Nickolaus, R.
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Leseverstehen als Basiskompetenz: Entwicklung und Förderung im Kontext beruflicher Bildung. In: Zeitschrift für Berufs- und Wirtschaftspädagogik (ZBW), Bd 106 (2010), H4, S. 534-555
Ziegler, B./Gschwendtner, T.
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(2011): Förderung der Lesekompetenz mittels Reciprocal Teaching – auch in der beruflichen Bildung ein Erfolg? Berufspädagogisches Kolloquium an der Universität Stuttgart
Norwig, K.
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(2011): „Wissen von Berufsschullehrern zur Förderung von Lesekompetenz – eine qualitativ-empirische Untersuchung“. Frühjahrstagung der Sektion für Berufsund Wirtschaftspädagogik in Aachen
Kugler, G.