Agenda-Learning - ein Experiment zum individuellen Agenda-Setting durch Onlinenachrichten
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt konnte zeigen, dass • Agenda Setting-Effekte stark von im Vorfeld bestehenden Einstellungen geprägt sind und sich schon nach wenigen Tagen der Berichterstattung zeigen. • Sich ein Urteil über die Themenwichtigkeit bereits nach ca. einer Woche festigt. Ist das persönliche Urteil gefasst, beeinflusst dieses auch die gesellschaftliche Wahrnehmung der Themenwichtigkeit. • Themen generell zu Beginn ihrer Karriere vergleichsweise hohe Relevanzwerte erzielen. Mit zunehmender Dauer der Berichterstattung und vermutlich durch neu aufkommende, aufmerksamkeitsabziehende Themen sinkt die Wichtigkeitszuschreibung. • Der Typ des Themas sowohl maßgeblich für den Einfluss der Berichterstattungsmerkmale, als auch für Agenda Setting-Subprozesse ist. • Selektions- und Rezeptionsmodalitäten eine große Rolle spielen. Das Projekt ermöglicht somit Einblicke in bisher kaum erforschte Phasen und Prozesse des Agenda Settings. Es konnte zeigen, dass Individuen relativ schnell auf die Medienberichterstattung reagieren, dass dabei allerdings im Vorfeld bestehende Einstellungen eine zentrale Rolle spielen. In Verbindung mit der aufgezeigten Bedeutung der Selektionsentscheidungen ergibt sich dabei ein komplexes Bild individueller Agenda Setting-Prozesse. Die Befunde deuten darauf hin, dass beim Aufkommen eines Themas zunächst bestehende Urteile aktiviert werden, die dann im Laufe der Berichterstattung aktualisiert werden. Auf welche Weise dies geschieht, hängt offenbar stark damit zusammen, ob ein Individuum eine Verbindung zwischen dem Thema und seiner eigenen Lebenswelt herstellen kann. Überraschenderweise geschieht das nur bei den Personen, die sich vom Thema nicht betroffen fühlen und sich nicht aktiv über das Thema informieren, so wie im Agenda Setting-Ansatz postuliert: Sie schätzen die Wichtigkeit des Themas anhand seiner Betonung in der Berichterstattung ab. Werden Artikel dagegen ausgewählt und gelesen, verringert sich der Einfluss der Präsentationsweise mit der Häufigkeit der Artikelauswahl. Personen, die sich wiederholt mit dem Thema auseinandersetzen, fällen ihre Urteile nicht nach der medialen Betonung, sondern höchstwahrscheinlich anhand inhaltlicher Kriterien. Für die zukünftige Forschung lassen sich aus diesen Befunden verschiedene Notwendigkeiten ableiten. Zunächst sollten psychologische Konzepte zur Prognose und Erklärung der individuellen Vorgänge stärker berücksichtigt werden. Gleiches gilt für Selektionsprozesse, mit denen offenbar verschiedene Agenda Setting-Prozesse assoziiert sind. Diese näher zu erforschen und zu beschreiben sollte ebenfalls das Ziel zukünftiger Studien sein.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2010). Ein Blick in den Automaten – individuelle Lernprozesse als vernachlässigte Größe im Agenda-Setting-Ansatz. In: Schemer, C., Wirth, W. & Wünsch, C. (Hrsg.): Politische Kommunikation. Wahrnehmung, Verarbeitung, Wirkung. Baden-Baden: Nomos, S. 213-239
Bulkow, K. & Schweiger, W.
- (2011). The Duality of Agenda Setting: The Role of Information Processing. Jahrestagung der International Communication Association in Boston, 28.05.2011
Bulkow, K., Urban, J. & Schweiger, W.