Detailseite
Projekt Druckansicht

Untersuchung des subjektiven Erlebens im ev. Gottesdienst als Schnittstelle zwischen individueller Religiosität und institutioneller Teilnahme

Fachliche Zuordnung Evangelische Theologie
Förderung Förderung von 2008 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 72435210
 
Erstellungsjahr 2010

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der evangelische Gottesdienst ist zwar seit einigen Jahrzehnten Gegenstand intensiver quantitativer Forschungen, qualitativ wurde er jedoch nur selten und dann zumeist im Blick auf die Erwartungen der Wünsche und Erwartungen von Kirchenmrtgliedem untersucht Die Frage, wie sich das gottesdienstliche Geschehen aus der Perspektive der an ihm beteiligten Subjekte darstellt und wie diese den Gottesdienst erleben, war bisher kaum Thema prakfisch-theologischer Forschung. An dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt an. Mit dem Ansatz der qualitativen Sozialforschung erhebt es detailliert, wie der Gottesdienst in seinen Elementen, Faktoren und gegenwärtigen Spannungsfeldern von den Subjekten erlebt und mit welchen Bedeutungszuschreibungen dieses Erleben versehen wird. Zu diesem Zweck wurden 22 Interviews mit Menschen, die regelmäßig oder unregelmäßig evangelische Gottesdienste - sowohl in der traditionellen Form am Sonntagvormittag als auch in den vielfältigen alternativen Formen - besuchen, geführt. Diese wurden mit dem Auswertungsansatz der „Kategorienbildung am Material" analysiert und in verschiedene „Logiken" des Erlebens klassifiziert. Nur einige Linien der vielfältigen und detailreichen Ergebnisse können hier angedeutet werden: 1. Menschen, die den Gottesdienst besuchen, sind in einem hohen Maße auskunftsfähig über das, was sie dort erleben. Sie sind fähig und willens, von der jeweiligen konkreten Situation eines Gottesdienstes zu abstrahieren und von ihrem grundsätzlichen Erleben des Gottesdienstes zu berichten. Gleichzeitig sind ihre Aussagen im Blick auf die einzelnen Elemente und Faktoren hoch differenziert. Dabei verbinden sich emotionale Aspekte mit kognitiven Übertegungen und Begründungsmustern in einer selbstverständlichen Weise. Dies gilt unabhängig von der Häufigkeit der Gottesdienstteilnahme, aber auch unabhängig von den sozialen Milieus, den die Befragten angehören. 2. Die Gottesdienstteilnehmenden sind oft weniger auf eine bestimmte Form des Gottesdienstes fixiert als es praktisch-theologisch gegenwärtig betont wird. Neben den klaren Selbstverortungen zugunsten der agendarischen oder der alternativen Ausrichtung findet sich eine überraschend große Flexibilität und Offenheit in Bezug auf unterschiedliche gottesdienstliche Formen. Damit rückt die konkrete Gestaltung des Gottesdienstes als entscheidend für die Frage subjektiven Erlebens in den Vordergrund. 3. Wie der Gottesdienst erlebt wird, steht durchaus in einer Beziehung zur jeweiligen sozialen Milieuzugehörigkeit, doch bildet diese nur einen von diversen Faktoren gottesdienstlichen Erlebens. Die Milieuzugehörigkeit ist offensichtlich als eine wichtige Tendenz für den Zugang zum Gottesdienst und das gottesdienstliche Erieben zu verstehen, die jedoch ihre jeweilige Ausprägung (und manchmal auch ihre Konterkarierung) in der Kombination mit diversen anderen Faktoren (des Gottesdienstes, der individuellen Konstellation, der sozialen Bezüge, der lebensgeschichltichen Erfahrungen etc.) gewinnt. 4. Der Gottesdienst wird einerseits von den Befragten deutlich als Ganzes, als „Gesamtkunstwerk" wahrgenommen. Bei jeder Person werden besfimmte Linien des Erlebens erkennbar, die sich bei den unterschiedlichen Elemente, Faktoren und Spannungsfeldern wiederholen. Gleichzeitig wird aber deuttich, dass die einzelnen Elemente des Gottesdienstes (von der Begrüßung an der Kirchentür bis zum Segen) mit sehr unterschiedlichen Emotionen belegt sind und auch in unterschiedlicherweise erlebt werden. Exemplarisch sei der Segen genannt: Dieser wird einerseits als sehr bedeutungsvoll und hoch emotional eriebt, zeigt jedoch andererseits mit insgesamt elf Logiken das größte Bedeutungsspektmm von allen gottesdienstlichen Elementen. Er kann vorrangig in der Logik der Unverzichtbarkeit wahrgenommen werden, als Abschluss des Gottesdienstes, als Begleitung in den Alltag, als im Alltag weiter wirkend, als Stärkung, als Zuspruch der Gegenwart Gottes, als Gemeinschaftserlebnis, als Geschenk, als Schutz, als Wohlbefinden sowie als Bewusstsein von Einzigartigkeit. Offensichtlicht besitzt der Segen eine Art „Containerfunktion", die ein großes Spektrum von inhaltlichen Füllungen bei durchgehend hoher Bedeutung ermöglicht 5. Die Studie zeigt einen sehr differenzierten Umgang von Gottesdienstbesucherinnen und -besuchern in den Spannungsfeldern, die gegenwärtig in Theologie und Kirche herausgearbeitet werden: Im Gegenüber von Zuspruch und Veränderungsimpulsen, von Alltagsnähe und Alltagsdistanz sowie von Mitwirkung und rezeptiver Haltung sind eindeutige Verortungen, jedoch auch diverse Differenzierungen zu finden.

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung