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Die Auswirkungen der Europäisierung auf die Determinanten für Erfolg und Dauer der deutschen Gesetzgebung

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2008 bis 2014
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 72967595
 
Erstellungsjahr 2014

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt zielte auf einen Beitrag zur Grundlagenforschung im Bereich der Regierungslehre. Zunächst wurde für den Zeitraum von 1949 bis 2012 eine umfangreiche Akteurs-, Positions- und Gesetzgebungsdatenbank aufgebaut. Damit stehen erstmals auch systematisierte Informationen zu den ersten Legislaturperioden des Deutschen Bundestages für statistische Auswertungen zur Verfügung. Eine weitere Besonderheit besteht in der Generierung politikbereichsspezifischer Positionen für die in der Gesetzgebung wirkenden Akteure, die für jedes ministerielle Portfolio die jeweilige legislative Bedeutung von Konfliktthemen widerspiegeln. Dies entsprach den dimensionalen Anforderungen moderner Theorien zur Gesetzesproduktion und Gesetzgebungsdauer. In der Datenanalyse zeigte sich eine hohe Erklärungskraft der Vetospieler-Theorie für den (Miss-)Erfolg von Initiativen und der Prinzipal-Agenten-Theorie für die Prozessdauer. Insofern wurden Belege für die grundsätzliche Funktionsfähigkeit von (institutionellen) Kontrollen im Verhältnis zwischen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sowie im Binnenverhältnis zwischen Koalitionsparteien vorgefunden. Das Fortsetzungsprojekt zu den Auswirkungen der Europäisierung auf die Determinanten für Erfolg und Dauer der deutschen Gesetzgebung befasste sich mit der weiterführenden Frage, ob die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Demokratie auch bei europäisierten Gesetzesvorlagen gewahrt bleibt. Die Beantwortung dieser Frage verlangte eine für den gesamten Untersuchungszeitraum einheitliche Ergänzung der zuvor erstellten Akteurs-, Positions- und Gesetzgebungsdatenbank. Die Messung der Europäisierung wurde ausgehend von einer engen Definition (ausschließlich Impulse aus dem politischen System der EU) primär durch eine wörterbuchgestützte Auswertung von Beschreibungen der Initiativen realisiert. Als Ergebnis stach eine zunehmende Europäisierung der bundesdeutschen Gesetzgebung hervor, die konkret mittlerweile mehr als 40% aller Gesetze erfasst. Während die Agendasetzungsmacht von Bundestag und Bundesrat infolge der Europäisierung geschwächt wird, nehmen beide Häuser durchaus überproportional Änderungen an (Gesetz gewordenen) europäisierten Entwürfen vor. Multivariate Analysen führten allerdings zu der Feststellung, dass in der europäisierten Gesetzgebung ideologische Distanzen zwischen den Vetospielern wie auch zwischen den Koalitionsparteien nicht mehr ausschlaggebend sind. Auch eine inhaltliche Komplexität verhindert nicht den Erfolg europäisierter Vorlagen, während der Stärke ministerieller Macht größere Bedeutung zukommt. Eine Untersuchung zur deutschen Transposition von EU-Richtlinien lieferte überdies Hinweise auf ein koalitionsfeindliches „Gatekeeping“ der Ressortminister. Insgesamt scheint eine zunehmende Europäisierung die klassischen Mechanismen politischer Kontrolle zu untergraben und gleichzeitig eine eher bürokratische Beschäftigung des nationalen Parlamentes auszulösen. Die im Fortsetzungsprojekt erweiterte Akteurs-, Positions- und Gesetzgebungsdatenbank bietet sich als Ausgangspunkt für weitere Folgeuntersuchungen an. Insbesondere erscheint eine international vergleichende Analyse zu den Auswirkungen der Europäisierung auf die nationalen Mechanismen politischer Kontrolle geboten. Dabei sollte die Identifikation wirkungsvoller kompensatorischer Instrumente des Parlamentes bzw. des Koalitionspartners zum Ausgleich von Informationsasymmetrien, aber auch zur (stärkeren) eigenen Initiierung europäisierter Vorhaben im Mittelpunkt stehen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2008). »Das Regieren jenseits des Nationalstaates und der Mythos einer 80-Prozent-Europäisierung in Deutschland«. In: Politische Vierteljahresschrift 49 (3), S. 438–463
    König, Thomas und Lars Mäder
  • (2009). »German ‘LexIconSpace’: Policy Positions and their Legislative Context«. In: German Politics 18 (3), S. 345–364
    König, Thomas und Bernd Luig
  • (2010). »Measuring Policy Positions of Veto Players in Parliamentary Democracies«. In: Reform Processes and Policy Change: Veto Players and Decision-Making in Modern Democracies. Hrsg. von Thomas König, George Tsebelis und Marc Debus. New York: Springer, S. 69–95
    König, Thomas, Bernd Luig, Sven-Oliver Proksch und Jonathan Slapin
  • (2010). »Sachverständige und der Einfluss von Expertise auf Reformen: Eine räumliche Analyse der Föderalismusreform II«. In: Perspektiven der Wirtschaftspolitik 11 (3), S. 307–323
    König, Thomas, Bernd Luig und Stephan Marc Solomon
  • (2012). »Does Europeanization Change Executive- Parliament Relations? Executive Dominance and Parliamentary Responses in Germany«. In: The Europeanization of Domestic Legislatures: The Empirical Implications of the Delors’ Myth in Nine Countries. Hrsg. von Sylvain Brouard, Olivier Costa und Thomas König. New York: Springer, S. 95–108
    König, Thomas und Lars Mäder
  • (2012). »Party Ideology and Legislative Agendas: Estimating Contextual Policy Positions for the Study of EU Decision Making«. In: European Union Politics 13 (4), S. 604–625
    König, Thomas und Bernd Luig
  • (2013). Strategic Gatekeeping and Policy Implementation of Globalized Policies in Parliamentary Democracies. Barcelona: 3rd Annual General Conference of the European Political Science Association
    König, Thomas und Bernd Luig
  • (2013). »Government Agenda-Setting and Bicameral Conflict Resolution«. In: Political Research Quarterly 66 (4), S. 938–951
    Fortunato, David, Thomas König und Sven-Oliver Proksch
  • (2014). »Ministerial Gatekeeping and Parliamentary Involvement in the Implementation Process of EU Directives«. In: Public Choice 160 (3-4), S. 501–519
    König, Thomas und Bernd Luig
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s11127-013-0110-x)
 
 

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