Einflussfaktoren auf die kartengestützte räumliche Orientierungskompetenz von Kindern in städtischen Realräumen
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In diesem Projekt wurden die Einflussfaktoren auf die kartengestützte räumliche Orientierungskompetenz von Kindern in städtischen Realräumen untersucht. Die Untersuchung bestand aus einer Vorstudie, bei der die unabhängigen Variablen Selbstkonzept, Vorkenntnisse im Kartenlesen, Vorerfahrungen, räumliche Intelligenz und Interesse sowie die Kontrollvariablen Alter und Geschlecht erfasst wurden, und einer Hauptstudie, die die Orientierungskompetenz der Probanden in der Münsteraner Innenstadt untersuchte. Insgesamt wurden 328 Schülerinnen und Schüler aus den Jahrgangsstufen 3, 4 und 5 getestet. Da bislang nur wenige Untersuchungen im Realraum vorliegen, bestand ein weiteres Ziel darin, ein Messinstrument zur Erfassung der kartengestützten räumlichen Orientierungsfähigkeit in Realräumen zu entwickeln, in dessen Mittelpunkt die Fähigkeit zur wechselseitigen Transformation zwischen Karte und Realität steht. Dieses erwies sich – ebenso wie die zur Erfassung der unabhängigen Variablen i. T. selbst entwickelten Messinstrumente – als brauchbar. Die faktorenanalytisch bestätigte abhängige Gesamtvariable KOR (= Kartengestützte räumliche Orientierungskompetenz im Realraum) weist drei Subskalen auf (1. Abbiegen, 2. Transformation Karte-Realität, 3. Transformation Realität-Karte). Unter den Einflussfaktoren erwies sich die unabhängige Variable „Räumliche Intelligenz“, erfasst durch die mentale Rotationsfähigkeit, als der einflussreichste Faktor auf KOR (p < ,001; ETA² = ,119). Ebenso zeigte die Variable „Vorkenntnisse im Kartenlesen“ einen hochsignifikanten Einfluss (p < ,001; ETA² = ,036), in abgeschwächter Form zudem das Selbstkonzept (p < ,001; ETA² = ,020) sowie die Vorerfahrungen im privaten Bereich (p < ,007; ETA² = ,022). Das Interesse von Schülerinnen und Schülern, sich mit Karten zu orientieren, war insgesamt sehr hoch (mean = 4,37, bei Min = 1 und Max = 5). Gleichwohl konnte die Hypothese, dass das entsprechende Interesse mit der Orientierungskompetenz korreliert, nicht verifiziert werden. Da die hohen Interessenwerte die Vermutung nahelegten, dass die Stichprobe trotz Zufallsauswahl eine Positivauslese darstellt, wurde im Sommer 2010 eine Kontrollstudie durchgeführt, bei der 399 Probanden der gleichen Jahrgangsstufen und Schularten befragt wurden. Die Kontrollstudie zeigte einen statistisch relevanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen, der jedoch mit der höheren Standardabweichung in der Kontrollgruppe relativiert werden kann. Die Ausrichtung der Wegstrecke (eine Hälfte der Probanden legte die Wegstrecke in Nord-Süd Richtung, die andere in Süd-Nord Richtung zurück) hatte wie erwartet einen signifikant hohen Einfluss auf die Orientierungskompetenz (p < ,001; ETA² = ,047) und bestätigte somit den sogenannten alignment-Effekt. Ebenso zeigten die Kontrollvariablen Geschlecht und Alter ihren erwarteten Einfluss. Die Jungen zeigten insgesamt eine signifikant höhere Orientierungsleistung als die Mädchen. Auf Subskalenniveau bestätigte sich diese jedoch nur bei der Teilfähigkeit Abbiegen. Das Alter erwies sich gemessen am ETA²-Wert als der einflussreichste Faktor (p < ,001; ETA² = ,129). Dabei zeichnete sich ein deutlicherer Anstieg der Orientierungsfähigkeit von der 3. zur 4. Jahrgangsstufe als von der 4. zur 5. Jahrgangsstufe ab. Zusammenfassend lässt sich, gestützt durch die Regressionsanalysen, konstatieren, dass die räumliche Intelligenz und die Vorkenntnisse im Kartenlesen die ausschlaggebenden Faktoren auf die kartengestützte räumliche Orientierungskompetenz in Realräumen darstellen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2009): Map Based Orientation Competence of Pupils in a Strange Town. In: The Geographic Education Society of Japan (Eds.): The New Geography – The Shin-Chiri. Volume 57. A Special Issue. Tsukuba, S. 76-81
Hemmer, I., Hemmer, M., Kruschel, K., Neidhardt, E., Obermaier, G. und R. Uphues
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(2010): Einflussfaktoren auf die kartengestützte Orientierungskompetenz von Kindern in Realräumen. Anlage eines Forschungsprojektes. In: Geographie und ihre Didaktik | Journal of Geography Education 38, H. 2, S. 65-76
Hemmer, I., Hemmer, M., Kruschel, K., Neidhardt, E., Obermaier, G. und R. Uphues
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(2010): Factors Influencing Children’s Map Orientation in an Unknown City. In: Rapp, D. E. (Ed.): Spatial Cognition 2010. SFB/TR8. Report No 024-07/2010. Bremen, S. 67-70
Neidhardt, E., Hemmer, I., Hemmer, M., Kruschel, K., Obermaier, G. und R. Uphues