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Die Grenzen des Verhandelbaren. Über die Möglichkeiten und Grenzen moralischer Kompromisse in interkulturellen Kooperationsbeziehungen

Antragstellerin Dr. Minou Friele
Fachliche Zuordnung Praktische Philosophie
Förderung Förderung von 2008 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 84211121
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In vielen Lebensbereichen gelten Verhandlungen mit dem Ziel der Kompromissbildung als typische und akzeptable Strategie, um nicht oder nur unvollständig auflösbare Konflikte beizulegen. In der philosophischen Diskussion jedoch spielen Verhandlungen oder Kompromisse kaum eine Rolle. Allenfalls gelten sie als suboptimale Strategie für den Umgang mit unlösbaren Interessenskonflikten. Verhandlungen und Kompromisse im Bereich genuin moralischer Konflikte scheinen schier undenkbar. Diese Annahmen werden in der Untersuchung kritisch hinterfragt. Ziel ist es, zu klären, ob und inwiefern Verhandlungen mit dem Ziel der Kompromissbildung nicht allein im Bereich von Interessen, sondern auch im Bereich des Moralischen ethisch denkbar sind und gegebenenfalls eine akzeptable Lösung für den Umgang mit moralischen Dissensen darstellen können. Ihren Ausgang nimmt die Untersuchung dabei in der Frage nach dem Proprium moralischer Dissense und in der Frage, unter welchen Bedingungen berechtigt davon auszugehen ist, dass moralische Dissense sich nicht in einem Konsens auflösen lassen. Basierend auf der Hypothese, dass Kompromisse im Bereich des Moralischen nicht per se ethisch illegitim sind, wurde gefragt, welche Bedingungen Verhandlungen über moralische Inhalte (A) substanziell und (B) prozedural erfüllen müssen, um ethisch akzeptabel zu sein. Dabei wurde zwischen folgenden Konstellationen, in denen die Frage nach der Akzeptabilität moralischer Kompromisse relevant werden kann, differenziert: 1. Normative Konflikte bzw. Dissense auf intrapersonaler, individueller Ebene: Auf dieser Ebene können gegebenenfalls die moralische Werte, Normen oder Prinzipien einer Person miteinander konfligieren. 2. Normative Konflikte bzw. Dissense auf interpersonaler kooperativer Ebene: Auf dieser Ebene können die moralischen Werte, Normen oder Prinzipien von zwei oder mehr (natürlichen) Personen miteinander konfligieren. 3. Normative Konflikte bzw. Dissense auf interpersonaler institutioneller oder politischer Ebene: Der Umgang mit konfligierenden moralischen Werten, Normen oder Prinzipien ist auf dieser Ebene besonders dadurch charakterisiert, dass Kooperations- und Kompromissentscheidungen im Auftrag und im Interesse von Personen getroffen werden, für die die Implikationen und Konsequenzen der Entscheidung auch dann relevant werden, wenn sie auf der individuellen oder kooperativer Ebene anders entschieden hätten. Auf allen drei Ebenen stellt sich die Frage, ob und wenn ja, unter welchen Bedingungen, es für moralische Akteure mit abweichenden moralischen Überzeugungen erlaubt, verboten oder geboten sein kann, im Bereich des Moralischen Kompromisse zu schließen, ohne sich moralisch zu kompromittieren, d. h., anerkannte moralische Normen, Werte und Prinzipien schlicht zu verletzen. Mit Blick auf den prozeduralen Charakter des Kompromissbegriffes galt es zu klären, ob die Praxis des Verhandelns und die des Argumentierens miteinander kompatibel sein können. In der philosophischen Debatte herrscht die Auffassung vor, dass es sich bei Verhandlung und Argumentation um zwei grundlegend verschiedene Praktiken der kommunikativen Konfliktbewältigung handelt. Diese Annahme galt es kritisch zu hinterfragen. Das Ziel der Untersuchung bestand hier darin, zu klären, unter welchen Bedingungen beide Praktiken miteinander kompatibel oder sogar wechselseitig ergänzend sein können. Neben den genannten Fragen, die dem Bereich der praktischen normativen Ethik zuzuordnen sind, galt es in diesem Zusammenhang außerdem eine dem metaethischen Bereich zuzuordnende Frage zu stellen, die Frage nämlich, ob moralische Normen, Werte und Prinzipien selbst als das Resultat von Verhandlungsprozessen gelten müssen. Die Untersuchung legt dar, inwiefern Verhandlungen und Kompromisse eine ethisch legitime Alternative zu argumentations- und konsensorientierten Konfliktlösungsansätzen bieten können, dass es allerdings auch Grenzen des Verhandelbaren gibt, die nicht überschritten werden können, ohne dass der Begriff des Moralischen ad absurdum geführt wird.

 
 

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