Detailseite
Projekt Druckansicht

Joseph Wulf (1912-1974) - Pionier und Außenseiter der Holocaustforschung

Antragsteller Professor Dr. Dan Diner
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2008 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 85603620
 
Erstellungsjahr 2013

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das aus dem Projekt hervorgegangene Buch hat erstmals eine umfassende, auch die bisher im Dunkeln liegenden Bereiche von Wulfs Leben ausleuchtende Biografie zum Inhalt. Wulfs frühe Jahre, seine Bildung, die Zeit im Ghetto und in Widerstandsgruppen (1912-1945) wie auch die Jahre im Nachkriegspolen, in Schweden und Frankreich sind zum ersten Mal auf Quellengrundlage detailliert dargestellt, einige der von ihm selbst gepflegten Lesarten wurden geprüft und teils verworfen. Die eingehende Untersuchung von Wulfs Publikationen (darunter die bislang gänzlich vernachlässigten zahlreichen Rundfunksendungen) zeigt, dass er mit Blick auf die Vielfalt der frühzeitig angesprochenen, langfristig relevanten Themen der NS- und Holocaustforschung in Deutschland der wichtigste Pionier des Feldes war. Trotz einer mitunter aufmerksamen Rezeption wurde dies zeitgenössisch kaum, von späteren Historikern überhaupt nicht mehr wahrgenommen. Im Unterschied zu den bisher vorliegenden Arbeiten hebt die Monografie gleichwohl die Erfolge hervor, die Wulf als Dokumentarist und Historiograf des Holocaust und des Nationalsozialismus erzielte. Zwischen 1955 und ca. 1968 war er publizistisch äußerst präsent - auf dem Buchmarkt und im Leitmedium Hörfunk -, seine Bücher verkauften sich vergleichsweise gut, wurden häufig besprochen und erreichten so einen erheblichen Verbreitungsgrad. Wulf selbst war Mitte der 1960er Jahre ein gefragter politischer Intellektueller. Doch mit der politischen und kulturellen Wende Ende des Jahrzehnts entglitt ihm das Erreichte wieder. Die 68er Revolte, die Kanzlerschaft eines Vertreters des „anderen Deutschland", Willy Brandts, die sozialliberale Koalition mit ihrem Aufbruch ins „moderne Deutschland" leitete ein Jahrzehnt des annähernden Desinteresses an NS-Themen und der faschismustheoretischen Verunklarung der real-faktischen Vergangenheit ein. Wulfs Position wurde prekär, seine Arbeit fand kaum mehr ein Echo. Sein Suizid 1974 wurde so als Lebensbilanz eines immer schon Ausgeschlossenen, Erfolglosen, Gescheiterten gelesen. Doch dieses Scheitern war der spezifischen mentalen Situation der späten 60er und frühen 70er Jahre geschuldet. Die Monographie von Klaus Kempter (Joseph Wulf. Ein Historikerschicksal in Deutschland) ist im November 2012 erschienen. Berichte und Besprechungen gab es bisher im Deutschlandfunk (Sendung „Andruck", 10.12.12), Deutschlandradio Kultur (11.12.12) und WDR (16.12.12) sowie auf den Internetseiten „Hagalil" (20.12.12) und „Achse des Guten" (22.12.12). Im Deutschlandradio Kultur (Radiofeuilleton, 30.1.13) wertete Pieke Biermann die Monographie als „literarische Meisterleistung". In diesem Zusammenhang zu erwähnen ist auch die am 11.12.12 eröffnete Ausstellung „Meine eigentliche Universität war Auschwitz. Joseph Wulf 1912-1974" im Haus der Wannseekonferenz, Berlin.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Joseph Wulf: Ein Churban-Historiker, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts 10 (2011), S. 407-430
    Kempter, Klaus
  • Schwerpunkt „Frühe jüdische Holocaustforschung", in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts 11 (2012), S. 299-386
    Kempter, Klaus
  • Vorläufer, nicht Wegbereiter: Die dokumentarische Geschichtsschreibung von Joseph Wulf, in: Einsicht 08 - Bulletin des Fritz-Bauer-Instituts, 2012, S. 24-31
    Kempter, Klaus
  • Joseph Wulf. Ein Historikerschicksal in Deutschland (Schriften des Simon-Dubnow-lnstituts, Bd. 18), Göttingen/Bristol, Conn. 2013
    Kempter, Klaus
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung