Zuverlässigkeit und Haftung im Kontext von Climate Engineering: Eine integrierte Betrachtung (CELARIT)
Öffentliches Recht
Physik und Chemie der Atmosphäre
Praktische Philosophie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Climate Engineering (CE] bezeichnet die absichtsvolle, großskalige Veränderung des Klimasystems um Auswirkungen des Klimawandels entgegenzuwirken. Solche Maßnahmen sind inhärent mit großen Risiken verbunden. Sowohl aus Überlegungen der Effizienz, wie auch der Legitimität und Gerechtigkeit werden Haftungsregime häufig als gesellschaftspolitische Voraussetzung für den Einsatz von CE diskutiert. Gegeben der fundamentalen Differenz zu alltäglichen Haftungskontexten, insbesondere hinsichtlich der Herstellung einer kausalen Beziehung zwischen CE und potentiellen Schäden, ist eine gesonderte Untersuchung nötig, um die Eignung und potentielle Leistungsfähigkeit des Instruments Haftung im CE Kontext beurteilen zu können. Da es sich bei CE um potentielle, zum jetzigen Zeitpunkt nicht realisierte, Technologien handelt muss solch eine Untersuchung notwendigerweise aus einer primär theoretischen Perspektive erfolgen. Aus ökonomischer Sicht ist das Hauptziel von Haftung die Internalisierung von externen Risiken und Kosten. Wie gut dies erreicht werden kann hängt sowohl von der Struktur der gegebenen Situation wie auch der Ausgestaltung des Haftungsregimes ab. Ein Hauptteil des Projekts bestand deshalb darin, die Struktur des Haftungsproblems im CE Kontext zu erörtern und die Auswirkungen auf die Ausgestaltung optimaler Haftungsregime zu untersuchen. Ein wesentlicher Unterschied zu alltäglichen Haftungssituationen ist, dass die große Mehrzahl potentieller Geschädigter in aller Wahrscheinlichkeit von einem geringen Einsatz von CE profitieren. Dies wirft die Frage nach der Definition von ,Schaden' auf, welcher ein zentraler Begriff für jedes Haftungsregime ist. Innerhalb des Projekts wurde gezeigt, dass es zwei unterschiedliche Betrachtungen hierfür gibt, die im Normalfall identisch, im Kontext von CE jedoch verschieden sind. Weiterhin wurde gezeigt - sowohl mit Hilfe theoretischer Modellierung,wie auch unter Verwendung von Klimamodelldaten - dass die gewählte Schadensdefinition einen erheblichen Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Haftungsregimes hat. Eine weitere wichtige, strukturelle Dimension betrifft die Klimapräferenzen von Akteuren. In einem methodischen Beitrag wurde innerhalb des Projekts eine Möglichkeit entwickelt, um regionale Klimapräferenzen, welche von historischen Klimazuständen abweichen, in die Betrachtung von CE miteinzubeziehen. Dieser methodische Beitrag bedeutet, dass das - höchst plausible - Vorliegen solcher Präferenzen in die Beurteilung von CE generell, wie auch in die Beurteilung von Institutionen zur Regulierung von CE (insbesondere Haftung] miteinbezogen werden kann. Ein zweiter Fokus des Projekts war die Frage der Kausalität zwischen CE und potentiellen Schäden (vornehmlich Extremwetterereignisse]. Aus ökonomischer Sicht ist zu erwarten, dass Parteien eines Prozesses Beweise nicht ausgerichtet auf Wahrheitsgehalt, sondern auf Maximierung der eigenen Erfolgschancen produzieren. Da im Klimakontext eine Beweisführung vor Gericht notwendigerweise auf Klimamodelle, welche eine imperfekte Zuverlässigkeit aufweisen, zurückgreifen müsste, ist dieser Umstand von besonderer Bedeutung. Im interdisziplinären Verbund wurde die Ausgestaltung von Zulässigkeitsregein von wissenschaftlichen Beweismitteln im Klimakontext erörtert, welche sicherstellen, dass in einem tatsächlichen Prozess eine möglichst hohe Zuverlässigkeit der eingebrachten, auf Klimamodellen basierenden, Beweismittel erwartet werden kann. Das Projekt hat mit diesen Beiträgen ein grundlegendes Verständnis der Besonderheiten und der zu erwartenden Leistungsmöglichkeiten des Instruments Haftung im Kontext CE geschaffen. Es füllt damit erfolgreich wichtige inhaltliche und methodische Lücken in der Beurteilung von Governancefragen hinsichtlich CE.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2015). Climate extremes in multi-model simulations of stratospheric aerosol and marine cloud brightening climate engineering. Atmospheric Chemistry and Physics, 15(16), 9593-9610
Aswathy, V. N., Boucher, O., Quaas, M., Niemeier, U., Muri, H., Mülmenstädt, J., & Quaas, J.
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(2015). The hydrological cycle response to cirrus cloud thinning. Geophysical Research Letters, 42(24), 10-807-815
Kristjánsson, J. E., Muri, H., & Schmidt, H.
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(2015). What is the limit of climate engineering by stratospheric injection of SO2? Atmospheric Chemistry and Physics. 15(16), 9129-9141
Niemeier, U., & Timmreck, C.
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(2017). "Mathematics as a Tool,” in Lenhard, J. and Carrier, M. (eds.): Mathematics as a Tool. Tracing New Roles of Mathematics in the Sciences. Boston Studies in the Philosophy and History of Science 327, Cham: Springer, 1-19
Lenhard, Johannes and Carrier, Martin
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(2017): "Boon and Bane. On the Role of Adjustable Parameters in Simulation Models,” in: Lenhard, J. and Carrier, M. (eds.): Mathematics as a Tool. Tracing New Roles.of Mathematics in the Sciences. Boston Studies in the Philosophy and History of Science 327, Cham: Springer, 93-115
Hasse, Hans and Lenhard, Johannes
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(2017): Mathematics as a Tool. Tracing New Roles of Mathematics in the Sciences. Boston Studies in the Philosophy and History of Science 327. Cham: Springer
Lenhard, Johannes and Carrier, Martin (eds.)
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Changing transport processes in the stratosphere by radiative heating of sulfate aerosols, Atmos. Chem. Phys., 17,14871-14886
Niemeier, Ulrike and Hauke Schmidt
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Sulfur injections for a cooler planet. Science, Vol. 357, Issue 6348, pp 246-248
Niemeier Ulrike and Simone Tilmes
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(2018). Establishing Causation in Climate Litigation: Admissibility and Reliability, Climatic Change 152(1), pp.67-84
Tobias Pfrommer, Timo Goeschl, Alexander Proelß, Martin Carrier, Johannes Lenhard, Henrike Martin, Ulrike Niemeier, Hauke Schmidt
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(2018): "Holism or the Erosion of Modularity - a Methodological Challenge for Validation", Philosophy of Science. 85,832-844
Lenhard, Johannes
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Climate reponse to aerosol geoengineering: a multi-method comparison, J. Climate, 31, 6319-6340. 2018
Muri Helene, Jerry Tjiputra, Odd Helge Otter, Muralidhar Adakudlu, Siv K. Lauvset, Alf Grini, Michael Schulz, Ulrike Niemeier, and Jón Egill Kristjánsson
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Response to marine cloud brightening in a multi-model ensemble, Atmos. Chem. Phys., 18, 621-634
Camilla W. Stjern, Helene Muri, Lars Ahlm, Olivier Boucher, Jason N. S. Cole, Duoying Ji, Andy Jones, Jim Haywood, Ben Kravitz, Andrew Lenton, John C. Moore, Ulrike Niemeier, Steven J. Phipps, Hauke Schmidt, Shingo Watanabe, and Jón Egill Kristjánsson
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The climate effects of increasing ocean albedo: An idealized representation of solar geoengineering. Atmos. Chem. Phys., 18, 13097-13113
Kravitz Ben, Philip J. Rasch, Hailong Wang, Alan Robock, Corey Gabriel, Olivier Boucher, Jason N. S. Cole, Jim Haywood, Duoying Ji, Andy Jones, Andrew Lenton, John C. Moore, Helene Muri, Ulrike Niemeier, Steven Phipps, Hauke Schmidt, Shingo Watanabe, Shuting Yang, and Jin-Ho Yoon
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(2019): "Climate Models: How to Assess Their Reliability,” International Studies in the Philosophy of Science
Carrier, Martin and Lenhard, Johannes
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[2019): "Philosophical Perspectives on Earth System Modeling: Truth, Adequacy and Understanding”, Journal of Advances in Modeling Earth Systems
Gramelsberger, Gabriele; Lenhard, Johannes, and Parker, Wendy