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Analyse des Tribosystems Siliziumnitridkeramik - hochfestes Stahlblech in der Blechumformung

Fachliche Zuordnung Ur- und Umformtechnik, Additive Fertigungsverfahren
Förderung Förderung von 2005 bis 2010
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5450088
 
Erstellungsjahr 2009

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Im Karosseriebau für Kraftfahrzeuge werden zunehmend hochfeste Blechwerkstoffe umgeformt, die verstärkten Werkzeugverschleiß in Form von Mikrofurchung (Abrasion) und Aufschmierung (Adhäsion) verursachen. Durch den Einsatz technischer Keramik, besonders Siliziumnitridkeramik, kann dieser Verschleiß verringert werden. Zusätzlich wurde bereits die Entstehung von Triboschichten auf der Keramikoberfläche im Reibkontakt mit Stahl beobachtet, welche den Adhäsionsverschleiß begrenzt haben. In diesem Projekt wurden die Schichtbildungs- und Schichthaftungsmechanismen sowie der Einfluss wichtiger Prozessparameter auf die Schichtbildung untersucht. Dabei wurde der Kontakt zwischen einem hochfesten Stahlblechwerkstoff und einer Siliziumnitridkeramik betrachtet. Als Mechanismen für die Schichtentstehung kommt neben der bereits erwähnten Adhäsion auch die Tribooxidation in Betracht, eine chemische Reaktion im Kontaktbereich, die durch die Reibungsenergie aktiviert wird und zur Entstehung von Oxiden führt. Im hier untersuchten Fall wurde ausschließlich Adhäsion festgestellt, es konnten keine Hinweise auf zusätzliche Tribooxidation gefunden werden. Die Dominanz der Adhäsion wird auch durch die Mikrostruktur der Triboschicht unterstrichen, da unmittelbar an der Oberfläche der Keramik eine dünne Chromoxidschicht festzustellen ist. Diese Chromoxidschicht stammt von der Oberfläche des Stahlmaterials und wird flächendeckend auf die Keramik aufgeschmiert. In den Experimenten zeigte sich die Oberflächenrauheit der Keramik als ein wesentlicher Faktor für das Ausmaß der Adhäsion. Aufgrund der unterschiedlichen chemischen Bindungsarten von Stahl (metallische Bindung) und Keramik (ionische und/oder kovalente Bindung) besitzt Stahl eine geringe Neigung, chemische Bindungen zu Keramik aufzubauen. Befinden sich aber erste Spuren von Stahl auf der Keramik, so lagert sich daran weiteres Stahlmaterial an und führt zu fortgesetztem Adhäsionswachstum. Ausgangspunkte für diesen Prozess bilden Rauheitstäler und Risse der Keramikoberfläche, die im Reibkontakt mit Stahlmaterial aufgefüllt werden. Die Bildung und Haftung von Adhäsionsschichten beruht also auf der mechanischen Verklammerung von Stahlpartikeln mit der Keramikoberfläche, welche die Ausgangspunkte für Adhäsionswachstum liefern. Dementsprechend entsteht umso weniger Adhäsionsverschleiß je geringer die Oberflächenrauheit des Keramikwerkzeugs ausgeprägt ist. Entscheidenden Einfluss auf die Ausprägung der Aufschmierung nehmen die Kontaktnormalspannung und die Relativgeschwindigkeit im Reibkontakt; bei einer Steigerung dieser beiden Parameter war jeweils eine Zunahme der Adhäsion festzustellen. Zentrale Einflussgröße neben der Kontaktnormalspannung selbst ist dabei die Oberflächentemperatur im Kontakt, die maßgeblich durch Kontaktnormalspannung und Relativgeschwindigkeit bestimmt wird. Da die Umgebungstemperatur ebenfalls die Oberflächentemperatur beeinflusst, nimmt die Adhäsion auch mit einer Steigerung der Umgebungstemperatur zu, allerdings in deutlich geringerem Ausmaß. Die Variation der Luftfeuchte zeigt keine Auswirkungen auf die beobachteten Phänomene. Im Unterschied zu anderen Arbeiten, in denen abweichende Reibpartner oder deutlich unterschiedliche Belastungen untersucht wurden, konnte hier keine verschleißmindernde Triboschicht nachgewiesen werden. Weder die genannte Chromoxidschicht, noch eine etwaige Tribooxidation bewirkten eine feststellbare Reduktion des Verschleißes, stattdessen setzte sich das Aufschmierungswachstum in den Experimenten permanent fort. Es dominiert die Adhäsion; eine Tribooxidation konnte trotz umfangreicher Experimente und Analysen in keinem Fall festgestellt werden. Als bedeutendste Einflussgrößen für die Bildung von Adhäsionsschichten wurden neben der Oberflächenrauheit die Kontaktnormalspannung und die Oberflächentemperatur identifiziert. Letztere wird insbesondere durch die Relativgeschwindigkeit bestimmt, weniger durch die Umgebungstemperatur. Ein Einfluss der Luftfeuchte auf die beschriebenen Mechanismen konnte nicht festgestellt werden. Die geringe Übereinstimmung zwischen den Ergebnissen der verschiedenen Arbeiten wird auf die stark unterschiedlichen Parameterbereiche und die große Zahl möglicher Einflussgrößen zurückgeführt. Während in diesem Projekt mit drei Versuchsaufbauten der Tiefziehprozess als bedeutendstes Verfahren der Blechumformung nachgebildet wurde, betreffen andere Untersuchungen so unterschiedliche Anwendungsfelder wie den Verschleiß in Wälzlagern oder in Dichtungen. Die Vergleichbarkeit hängt hier besonders stark von der Werkstoffpaarung und den Versuchsbedingungen ab. Während in anderen Arbeiten von verschleißmindernden Triboschichten auf Siliziumnitridkeramik berichtet wird (im Selbstkontakt Keramik – Keramik oder im Kontakt mit Stahl bei stark abweichenden Bedingungen), konnte vergleichbares in diesem Projekt nicht beobachtet werden. Hier wurde der reale Umformprozess mit Analogieversuchen nachgebildet. Um verschleißmindernde Triboschichten nutzen zu können, müssen diese nicht zwingend im Realprozess entstehen, sondern können auch vorab erzeugt werden. Es bietet sich daher an, die Möglichkeiten zur Erzeugung einer derartigen funktionalen Oberfläche, z.B. durch chemische Präparation, zu prüfen. In Bezug auf die Einflüsse im Realprozess wurden in diesem Projekt die werkstoffseitigen Faktoren konstant gehalten, sowohl der Werkzeugwerkstoff (Siliziumnitridkeramik) als auch der Werkstückwerkstoff (Stahlblech X5CrNi18-10). Zum Verständnis der Vorgänge im Reibkontakt besteht in diesem Bereich weiterhin Forschungsbedarf, besonders im Hinblick auf die Bedeutung der chemischen Werkstoffzusammensetzung, der chemischen Bindungsarten sowie der Mikro- und Nanostruktur der Werkstoffe. Auch die Wechselwirkungen zwischen Schmierstoffen und der Umgebungsluft bieten weiteres Potenzial. Zwar konnten bei dem hier eingesetzten, chemisch weitgehend passiven Schmierstoff keine Auswirkungen der Umgebungstemperatur und der Luftfeuchte auf die Phänomene im Reibkontakt festgestellt werden. Dies ist jedoch bei chemisch aktiven Schmierstoffen durchaus denkbar und sollte daher wissenschaftlich untersucht werden. Die Anwendung dieser Ergebnisse liegt zunächst in der Blechumformung, die den Ausgangspunkt für die Untersuchungen bildet und in den Analogieversuchen nachgebildet wurde. Es ist zu erwarten, dass wesentliche Erkenntnisse auch auf andere Bereiche der Umformtechnik übertragen werden können, sofern die Prozessbelastungen vergleichbar sind. Neben der Umformtechnik bieten alle Anwendungsfelder der untersuchten Komponenten, in denen tribologische Beanspruchungen von Bedeutung sind, Potenzial zur Nutzung verschleißmindernder Triboschichten. In der Medizintechnik werden zum Beispiel Hüftgelenkimplantate teilweise über Jahrzehnte durch Reibung und Verschleiß belastet. Der Austausch der betroffenen Komponenten ist aber mit erheblichen Gesundheitsgefahren und großem Aufwand verbunden, so dass permanent eine Verringerung des Verschleißes angestrebt wird. Hier könnte eine verschleißmindernde Triboschicht auf den Keramikkomponenten der Implantate das Risiko für die betroffenen Patienten erheblich vermindern.

 
 

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