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SFB 1472:  Transformationen des Populären

Fachliche Zuordnung Geisteswissenschaften
Sozial- und Verhaltenswissenschaften
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 438577023
 
Populär ist, was bei vielen Beachtung findet. Beachtungserfolge werden gemessen und inszeniert: Rankings und Charts geben über das Populäre Auskunft und werben ihrerseits um Beachtung. Über die Qualität oder Originalität des Populären ist damit nichts gesagt, sondern allein über den nachweislichen Erfolg in heterogenen Bewertungsregimen. Populär kann auch das ‚Unpopuläre‘ sein. Das Populäre modifiziert all das, dem es Beachtung verschafft. Seine quantifizierenden und zugleich hierarchisierenden Vergleichsdispositive generieren Valenzen, die den Objekten von sich aus nicht zukämen. Umgekehrt läuft das Nicht-Populäre, das im Kontext dieser Vergleichsdispositive keine messbare Resonanz findet, Gefahr, als irrelevant oder wertlos zu gelten, eben weil es in keinem Ranking oder Rating auftaucht. Die zentrale Hypothese des SFB lautet: Die Transformationen des Populären, die in Europa bereits um 1800 anlaufen und die wirkmächtige Leitdifferenz von high culture vs. low culture profilieren, setzen im Verlauf des 20. Jahrhunderts eine konkurrierende Unterscheidung dominant: die Unterscheidung des Populären und des Nicht-Populären. Im Ergebnis ist das Populäre nicht mehr entweder Kultur der ‚niederen Schichten‘ oder Inklusion des ‚Volkes‘ im Dienste höherer Ziele. Das Populäre heute ist kaum mehr Gegenstand gewünschter Transgressionen oder Ausdruck gefühlter oder gefürchteter ‚Vermassung‘ bzw. ‚Verflachung‘. Die Entgrenzung des Populären ist zu einer unhintergehbaren Kondition kultureller Selbstverständigung in der globalisierten Gegenwart geworden. Der SFB identifiziert zwei maßgebliche Transformationsstufen, die zu dieser Entgrenzung führen:1. Um 1950 die Popularisierung von quantifizierenden Verfahren der Beachtungsmessung in der Populärkultur, womit das, was bei vielen Beachtung findet, sichtbar wird und die high/low-Axiologie herausfordert.2. Um 2000 die Popularisierung des Internets, womit die Frage, was populär werden kann und was nicht, den Gatekeepern der etablierten Massenmedien, Erziehungsinstitutionen und kulturellen Eliten partiell entzogen ist und mit immer größerem Gewicht in den sozialen Medien entschieden wird.Der SFB untersucht diese Transformationen des Populären in drei Forschungsbereichen:A) Pop: Ästhetische Formen und Praktiken, die sich von hochkultureller Tradition und Sinnverpflichtung distanzieren und jenseits von Beachtung nicht mehr zwingend gerechtfertigt werden.B) Popularisierung: Strategien der Verbreitung von Expertise und Hochkultur, deren Ziel die Beachtung von vielen ist und deren Rechtfertigung nach 1950 überwiegend in Beachtungserfolgen besteht, die durch Messung nachgewiesen und ihrerseits inszeniert und popularisiert werden.C) Populismen: Konfliktkommunikation innerhalb des sich entgrenzenden Populären, die dann entsteht, wenn Institutionen ihre Resilienz oder Resistenz gegenüber unerwünschter, aber nachweislich populärer Kritik unter Beweis stellen oder sich akkomodieren.
DFG-Verfahren Sonderforschungsbereiche

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Antragstellende Institution Universität Siegen
 
 

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